Mike McBike @ Home / Museum / Diehl Combitronic - Teil 2


{Diehl Combitronic - Teil 2 - Der magnetrostriktive Speicher} Und wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Speicher her. Reim dich, oder ich fress dich! ;-) Wir erinnern uns: beim Auseinanderbau der Diehl Combitronic herrschte beim Laufzeitspeicher gähnende Leere und abgezwickte Kabelenden baumelten uns entgegen. Eigentlich ein Todesurteil für eine solche Maschinenrestauration!

Diehl Combitronic

Wenigstens die Anschlussplatine ist noch vorhanden. Und da sieht man dann auch gleich, wo das abgezwickte Flachbandkabel hingehört. Jetzt halte ich das brutale Durchtrennen für eine sehr gute Idee, weiß man doch sofort, wo welche Anschlüsse hinkommen!

Diehl Combitronic

Nur das dicke schwarze Kabel ist mir noch suspekt...

Diehl Combitronic

Hier sind schon mal die drei Empfangskontakte des Laufzeitspeichers zu sehen. Auf der Platine war mal ein Blech zur Abschirmung aufgelötet. Das wurde nicht ganz zerstörungsfrei runtergerissen...

Diehl Combitronic

Man wollte SMD, hatte aber THT - was nicht passt, wird passend gemacht! SN7511, ein differentieller Videoverstärker - schnell genug für den 1MHz-Takt bei kleinsten Spannungen. Die Empfangsstufe ist kritisch, da kommt nach 42m Nickeldraht nicht mehr viel raus!

Diehl Combitronic

Zur Entspannung zwischendrin mal ein Blick auf die IC-Platine, von der das Gerät seinen Nachnamen hat: CombitronIC. Das sind hier aber keine CPUs von General Instruments, sondern LSI-Bausteine, die speziell für Diehl gefertigt wurden. In ihnen verbergen sich die ca. 125 Transistoren und vielen Dioden, die in der Combitron noch diskret auf einer riesigen Leiterplatte verbaut waren. Datenblätter zu diesen Schaltkreisen (MEM 5111, 5112, 5113, 5114) sind mir nicht bekannt, hoffen wir, dass sie noch funktionieren. Das Bild wird auf Mausklick sehr groß.

Diehl Combitronic

Oben rechts neben MEM 5111 befindet sich ein unscheinbares Metall-IC - auch von GI. Hier drin befindet sich vermutlich das Äquivalent zum separaten kleinen Laufzeitspeicher der Combitron (R-Delay-Line, 218 Bit Kapazität, Registerspeicher) in Form eines 218-Bit-Halbleiter-Schieberegisters.

Diehl Combitronic

Die Bauform dieser frühen Keramik-ICs ist noch recht ungewöhnlich: die Beinchen sind von unten auf das Gehäuse geklebt.

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Das hier ist die Druckerplatine - Leistungstransistoren, ein paar Transistor-Flip-Flops, teilweise noch Germanium. Klar, ist ja Made in Germany. ;-)

Diehl Combitronic

Diehl Combitronic

Und jetzt nimmt die Geschichte eine überraschend positive Wendung: die Diehl Combitronic befand sich im Besitz eines Lehrers, der den Laufzeitspeicher als Anschauungsobjekt für seine Schüler ausgebaut hatte. Als er von der anstehenden Restauration erfuhr, stellte er mir diesen Speicher freundlicher Weise wieder zur Verfügung. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Unbekannt! Das ist nicht selbstverständlich und hat mich wirklich sehr glücklich gemacht. Im Gegenzug werde ich natürlich alles tun, dieses Wunderwerk wieder zum Laufen zu bringen und alle Details zu dokumentieren. Hier ist sie nun, die NEC 10889 Bit Magnetrostrictive Delay Line, ein Laufzeitspeicher mit 42m Nickeldraht. Da sieht die Iskra blass gegen aus...

Diehl Combitronic

Dieser Speicher bildet die M-Delay-Line der Combitronic, also den Programmspeicher, der bei einer Wortbreite von 55 Bit genau 198 Worte speichern kann. Also fast genau, denn 55x198=10890, aber ein Bit befindet sich immer im Ausgangs-Flip-Flop.

Diehl Combitronic

Laufzeitspeicher haben bauartbedingt ein Problem. 42m Draht sind nur genau 42m bei einer bestimmten Temperatur. Nimmt die Temperatur zu, wird der Draht etwas länger. Wird der Draht länger, dann dauert es auch länger, bis die Bits am Ende wieder herauspurzeln, die Schallgeschwindigkeit hat sich ja nicht geändert. Das muss bei der Konstruktion der Maschine berücksichtigt werden, denn kompensiert man diese Temperaturdrift nicht, dann stimmt bei einem festen Bittakt plötzlich die Anzahl der Bits im Speicher nicht mehr. Üblicher Weise regelt man den Quarztakt der Maschine temperaturabhängig nach - je wärmer, desto langsamer - so bleibt das Verhältnich zur Laufzeit wieder gleich. Und genau deswegen wird bei derart großen Laufzeitspeichern ein sehr umfangreiches Prüfprotokoll mitgeliefert.

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Hier die Temperaturabhängigkeit der Laufzeitabweichung:

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Und (wofür auch immer) die Messdaten mechanischer Natur....

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Die Anschlüsse haben unter dem Auslötversuch gelitten, der Masseanschluss ist ganz ab, die Ausgangspins der Senderspule sind sehr locker.

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Jetzt weiß ich, wo das dicke schwarze Kabel hingeht! An die Anschlüsse der Empfängerspule. Hier sind die Pegel noch so stark, dass man auf extrem kurze Wege und aufwändige Abschirmung verzichten konnte! Die Pins sind in Ordnung.

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Links raus, rechts rein...

Diehl Combitronic

Entwicklungsziel: verbauen Sie so viele Senkkopfschrauben wie möglich!

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Ein traumhaftes Stück Technikgeschichte liegt vor uns!

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In der Mitte liegt die Empfängerspule, alles ist so elastisch wie möglich aufgebaut, um die Übertragung der Torsion nicht zu behindern!

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Zwei winzige Metallstreifen sind oben und unten auf den Nickeldraht geschweißt. Über die Spulen ziehen und drücken sie gleichzeitig am Nickeldraht und lösen somit eine Torsionswelle aus, die dann in Schallgeschwindigkeit den Nickeldraht entlangläuft. Beim Empfänger wird die Bewegung in den Spulen wieder in eine Induktionsspannung gewandelt.

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Der Draht liegt überall elastisch gelagert in Silikonhülsen.

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Hier kommen die Bits rein. Die absolute Länge der Laufstrecke lässt sich über eine Stellschraube genau justieren. Da geht es um Mikrometer!

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10 kBit in einem Draht, ein geniales Konzept. Allerdings kann man auf die Bits nur zugreifen, wenn sie gerade aus dem Draht fallen, also kein wahlfreier Zugriff. Die Laufzeit beträgt bei 10.000 Bits und 1 MHz jedoch nur 10 ms... man muss also nicht allzulange warten.

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Und damit die ganze Konstruktion nicht korrodiert, befindet sich im Gehäuse auch noch ein ganzes Säckchen Silicagel.

Diehl Combitronic

Nachdem der Speicher wieder glücklich zurückgekehrt ist, ist die Diehl wieder vollständig. Jetzt geht die Arbeit erst richtig los... Speicheranschlüsse reparieren, der Sender im Speicher ist lose, muss wieder mit Schaumklebeband fixiert werden, Empfängerplatine wieder anlöten und abschirmen, Kabel flicken, Andruckrollen ersetzen... u.s.w... Ich bin gespannt!


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